Peter Kowald Gesellschaft/ort e.V.

ort
Luisenstraße 116
42103 Wuppertal


The Art Of The Duo



_Saxophone _Piano


Fotos: Dr. K.-H. Krauskopf DGPh

Nach zweijähriger intensiver Zusammenarbeit und einer Reihe von erfolgreichen Konzerten in Deutschland und Russland, trafen sich die beiden Musiker im Mai diesen Jahres, um in drei nächtlichen Sessions im Studio des Pianisten ihre erste gemeinsame CD einzuspielen. Jetzt, Anfang November, ist die Produktion auf dem Label Senti-Records erschienen und erhältlich.

Die Musik dieser CD lässt sich in vier unterschiedliche Werkgruppen einteilen. Allesamt sind diese dem Jazz verpflichtet und haben kammermusikalischen Charakter.
Es handelt sich
1. um notierte Kompositionen,
2. um „Moods“ mit ausschließlich balladesken Stimmungen,
3. um „Old Songs“, ironisch persifliert und
4. um vielschichtige freie Improvisationen.

Aufnahme und Mastering lagen in den Händen von Andre Groth und Martin Stürtzer, die Fotographien und die Gestaltung des Covers stammen von Franziska Köppen. Den ursprünglich auf deutsch verfassten Covertext steuerte der ehemalige Jazzredakteur des WDR und renommierte



Über die Musiker und ihre Musik
Auf dem Weg ins 21. Jahrhundert
Der Wuppertaler Free Jazz der späten sechziger und frühen siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts, an dessen Verbreitung Bernd Köppen neben Peter Brötzmann und Peter Kowald wesentlichen Anteil hatte, gilt inzwischen weltweit als unverkennbarer Jazzstil dieser Epoche.

Seitdem sind über dreißig Jahre vergangen und aus dieser Keimzelle hat sich über alle Kontinente hinweg eine unglaubliche Vielfalt an freier Musik unterschiedlichster Machart etabliert, deren Ursprung bei den Wuppertaler Protagonisten zu finden ist. Aber auch andere musikalische Einflüsse jeglicher Couleur haben sich hinzu gesellt und eine Vielfalt an Stilen entstehen lassen, die schier unüberschaubar erscheint, wobei die Quantität des Erscheinens der Qualität der Darbietung überlegen scheint und gestandene Traditionen oft verwässert werden.

Köppen, der seit den Anfängen seinen inzwischen unverkennbaren Personalstil ständig weiter entwickelte und verfeinerte, hat in dem jüngeren Saxophonisten Bär einen kongenialen Partner gefunden. Beide Musiker sind gleichermaßen dem Jazz verhaftet als auch den europäischen Musikformen in einer Weise verbunden, die sowohl kommunikative als auch spieltechnische Probleme weitgehend ausschließt.

So sieht sich das Duo nicht nur etwa in der Nachfolge der Jazzmusik à la Monk/Col-trane, Lacy/Waldron oder anderer, sondern auch in der Tradition der Kammermusik des 20. Jahrhunderts, angefangen bei der 2. Wiener Schule bis hin zu neuesten Formen. Hier begründet sich der Reiz ihrer Musik schließlich in der gekonnten Verbindung beider Idiome. Sie erreicht durch subtile Interaktionen der Musiker im Umgang mit dem verfügbaren Material eine solch hohe Intensität und formale Geschlossenheit, dass dem gemeinsamen Spiel eine fast zeitlose Gültigkeit anhaftet.


_Andreas Bär_Saxofone

1965 in Wuppertal geboren.
1988 bis 92 Jazzstudium in Arnheim und Maastricht.
1990 bis 96 absurdes Entertainment, Gründung der Wuppertaler Jazzsession „music is an open sky“ zusammen mit den Bassisten Peter Kowald und Hendrik Gossman. Produktion von Hiphop, arbeit mit verschiedenen DJ´s, Tourneen durch Europa.
1996 Preisträger eines Jazzwettbewerbs (Next Generation).
1996 Beginn der Kompositionen für ein Nonett. 3. Preis eines internationalen Kammermusik Wettbewerbs in Düsseldorf.
1998 Auszeichnung des „Julian Hemphil Composition Awards“ Boston (USA) für eine Orchesterkomposition.
1999 Gründung eines Quartetts für zeitgenössische Improvisationen. Musik zum Film >Morgenstund<
2000 Arbeit an einer Kammeroper und einem Hörspiel.
2002 Musik zu dem Tanzstück >Schienen< des Choreographen Bernd Marszan.
2003 Gründung und Kompositionen für ein Quartett (Saxophon, Gitarre, Akkordeon Drums) – Filmmusik, Konzerte und Festivals.
seit 2004 Zusammenarbeit mit dem Pianisten Bernd Köppen.
Gründung des A. Bär Trio´s (Saxophon, Bass, Schlagzeug). Aufnahmen zum Tanzfilm redeflection (Film Frank Niermann, Choreographie Bernd Marszan).


_Bernd Köppen_Piano
1951 in Wuppertal geboren
1965 –69 Studium Klavier & Komposition (bei Prof. Ingo Schmitt) am Bergischen Landeskonservatorium Wuppertal.
Meisterschüler der Pianistin Liliana Christowa.
Seit 1969 free lance als Pianist, Organist, Komponist, Ensembleleiter und Performer im Bereich der freien Improvisation, der Neuen Musik sowie als Kammermusik- und Liedbegleiter. Lehrtätigkeit als Klavierpädagoge an öffentlichen Instituten und privat.
Konzerte, Festivals, Rundfunk– und Fernsehproduktionen in den meisten Staaten West– und Osteuropas, Russland und in Japan – Film– und Theatermusiken sowie Klangperformances zu bildender Kunst – zahlreiche Schallplatten– und CD Veröffentlichungen.
Seit 1995 Kirchenmusiker sowie Künstlerischer Leiter der Konzertreihe unERHÖRT und der Improvisationsreihe Offene Kirche
- Werkstatt an der Neuen Kirche, Wuppertal - Elberfeld.
Seit 1990 Bernd KöppenTrio mit Kent Carter (Bass) und Bill Elgart (Schlagzeug)
Seit 2004 Zusammenarbeit mit dem Saxofonisten Andreas Bär im Duo KöppenBär.
Seit 2006 KöppenBär 4tet mit Bär, Carter und Elgart.
„einer der wichtigen freien Pianisten Europas“ (J.E. Berendt: das große Jazzbuch)
"alles, was ich musikalisch kann und weiß, habe ich ihm zu verdanken"
(Tom Tykwer, Film - Regisseur und Komponist)
Deutsches Original des Covertextes von Manfred Niehaus
Auf der vorliegenden CD gibt es ein Stück, dessen Titel sagt das Wesentliche, das
Originelle der hier aufgezeichneten Musik aus:
"When Monk meets Webern in a speak easy"

Dieses Treffen in einer jener Kneipen, in denen es zur Prohibitionszeit im Verborgenen Alkohol zu trinken gab, hat es in der Geschichte nie gegeben. Es findet erst jetzt hier auf dieser CD statt. Anton Webern wurde 1945 in der Nähe von Salzburg von einem amerikanischen Soldaten erschossen – aus Versehen! Ich weiß nicht, ob Thelonious Monk in der Army war. Der unglückliche Schütze war er jedenfalls nicht. Nein, das Treffen von Monk und Webern konnte nur in den Köpfen – und in den Herzen! – von Musikern aus Wuppertal stattfinden.

Bernd Köppen, in den sechziger Jahren klassisch ausgebildet als Pianist und Komponist, ist in den Wuppertaler Speak-Easy-Kneipen, wo demnächst auch das Rauchen noch erlaubt bleibt, sicherlich den Urahnen des Wuppertaler Free Jazz begegnet, Peter Brötzmann und Peter Kowald und entwickelte fast zeitgleich seine eigene Art dieser „Neuen“ Musik. Er spielt seit dieser Zeit frei improvisierte Musik, sowohl Klavier solo als auch in exquisiten Jazzformationen. In einer großen Innenstadtkirche, direkt im Wuppertaler „Kiez“, veranstaltet er die Improvisationsreihe „Offene Kirche – Werkstatt“ und die Konzertreihe „unERHÖRT“.

Andreas Bär, etliche Jahre jünger als Bernd Köppen, hat in Holland Jazz regelrecht studiert. Er hat dabei gelernt seine Ideen in Noten aufzuschreiben, so frei diese musikalischen Gedanken, so spontan die Einfälle auch sein mögen. In der Folgezeit trat er als Ensembleleiter und (mehrfach ausgezeichnet) als Komponist in Erscheinung. Jetzt, 2006, spielt er schon seit zwei Jahren im Duo mit Bernd Köppen.

Sie entwerfen Stücke, notieren Konstruktionen, jeder für sich, aus denen beide dann Musik machen. Manchmal gehen sie auch den umgekehrten Weg: Sie improvisieren frei zusammen, und einer schreibt das „zufällige“ Resultat dann auf, oder zieht einen Extrakt daraus, aus dem dann wieder neue Musik werden kann. Dabei meldet sich dann auch Webern zu Wort, dessen strenge Formen, die Berechenbarkeit der Konstruktion und zugleich die Klarheit des Ausdrucks. Das hat schon Weberns Lehrmeister Arnold Schönberg begeistert, als er zu Weberns Bagatellen op. 9 schrieb: „Jeder Blick lässt sich zu einem Gedicht, jeder Seufzer zu einem Roman ausdehnen. Aber: einen Roman durch eine einzige Geste, ein Glück durch ein einziges Aufatmen auszudrücken, solche Konzentration findet sich nur, wo Wehleidigkeit in entsprechendem Maße fehlt.“

Dies ermahnt auch den Schreiber dieser Zeilen: Kein Wort zuviel!
Hören! Nochmals hören! Nicht aufhören!

Manfred Niehaus