Peter Kowald Gesellschaft/ort e.V.

ort
Luisenstraße 116
42103 Wuppertal


_Städte hören_Audio-Visuelle Projektionen von und mit Michael Rüsenberg



Michael Rüsenberg, den meisten als WDR-Jazzmoderator vertraut, hat sich 1993
einen Bereich erschlossen, den er gern sein "zweites Leben" nennt. Es ist
ein Feld weitab des Jazz, vielleicht aber nicht gänzlich unberührt von
Improvisation. Es handelt sich um "Soundscape-Komposition".
Soundscape, klar, ist das Pendant zu Landscape, die Landschaft. Soundscape
also meint die Klanglandschaft und Soundscape-Komposition die ästhetische
Interpretation von Klanglandschaften, mithin Umweltklang.
Im Grunde ist das eine Aufgabe oder ein Vergnügen für einen jeden, die
Umwelt mit den Ohren zu erkunden. "Soundscape is a theme in which everyone
can participate", sagt zum Beispiel Murray Schafer, denn jeder befindet sich
jederzeit in einer Klanglandschaft. Das muss nicht der exklusive Nachhall
des Kölner Domes sein; das kann die eigene Wohnung sein, das Büro, die
Haltestelle der Schwebebahn, der eine oder andere Tunnel im Tal.
Soundscape-Künstler lassen sich gerne durch attraktive Klangorte verführen,
im Falle Rüsenberg war es - nach Inspiration durch das Vorbild kanadischer
Soundscaper - Lissabon, die Hauptstadt Portugals.
Entstanden ist damals, gemeinsam mit Hans Ulrich Werner, die CD "Lisboa – a
soundscape portrait", ein akustisches Bild der "Weissen Stadt am Tejo", wie
es jeder Tourist nachvollziehen kann. Wohl waren die Klänge seinerzeit
geschnitten, geschichtet, gemischt, also nach ästhetischen Kriterien
ausgewählt und in Beziehung gesetzt - aber nur mäßig verfremdet.
Im Oktober 2003 ist Michael Rüsenberg nach Lissabon zurückgekehrt. In der
Zwischenzeit waren urbane Klangporträts entstanden zu Madrid, Rom, Chicago,
Essen, aber auch La Palma, Marokko, den Kölner Brücken, der Williamsburg
Bridge in New York und dem Viertel La Défense in Paris. In der Zwischenzeit
hatte er sich auch mehr und mehr vom ursprünglich "dokumentarischen" Ansatz
gelöst - weil er so dokumentarisch gar nicht ist, und der Klang als Klang
gefeiert wird und nicht mehr nur als Abbild einer benennbaren Ursache. Die
Klangorte dienten nun als Impulse für "akustische Tagträumereien", sie
wurden Teile eines Geflechtes, in dem das Original vielfältigen Brechungen
seiner selbst begegnet. Die Rückkehr nach Lissabon 2003 geschah im Lichte
dieser Entwicklung. Das Produkt des neuen Aufenthaltes, "Lisboa.Reloaded",
fährt fort, wo zehn Jahre zuvor "Lisboa - a soundscape portrait" begonnen
hatte, freilich multimedial und nun unter Beteiligung portugiesischer
Klangkünstler.
"Lisboa.Reloaded" enthält "audio-visuelle Projektionen der Weissen Stadt am
Tejo" in drei Video- und zwei Audio-Stücken. Sie reichen von einem
Soundtrack von einst, der nun erstmals um einen Videoteil ergänzt wird (Hans
Ulrich Werner: "MetaSon Lisboa") bis zu einem freien Klang- und Bilderrausch
von Carlos Zingaro, den dieser am stürmischen Karfreitag 2005 von der Wand
seines Hauses im Studio entfesselt hat ("Storia IntraMuri - Walls").
Christoph Korn zeigt Texttafeln von Franz Fanon zu den gedehnten Klängen von
Zingaros Violine, mit denen dieser einen Straßenmusiker aufgreift.
Mehrere Stücke werden in Surround-Sound aufgeführt, so auch Michael
Rüsenbergs "Dr. Musserts Landing", eine dramatische Klangcollage, in der ein
Chor aus Köln und eine Percussiongroup aus Lissabon mitwirken und zwei
Sprecher einen wunderbaren Text von Cees Noteboom vortragen.