Peter Kowald Gesellschaft/ort e.V.



VERNISSAGE_Samstag_4_Februar_2006_19h

Es spricht_
Susanne Buckesfeld (MA)




Die Eröffnungs-Rede

El Loko: Der Schnitt ins Holz

"Der Schnitt ins Holz" ist der Titel dieser Ausstellung – und Holzschnitte sind es, mit denen bei El Loko alles angefangen hat. Seit Anfang der 70er Jahre ent-standen in einem Zeitraum von gut zehn Jahren die frühen Holzschnitte, die wir hier zeigen, und die schon Joseph Beuys begeistert haben. So kam es, dass El Loko als einer der ersten Afrikaner überhaupt in Beuys’ Klasse Aufnahme fand.

Für El Loko bot die Technik der Holzschnitte vor allem die Möglichkeit, die ge-stalterischen Mittel der Bildkomposition voll und ganz auszuschöpfen. Erst später kam die Farbe in seinem Werk als Ausdrucksmittel hinzu. Bei dem Hochdruckverfahren werden die Stellen, die im Bild weiß bleiben sollen, wie bei einer Skulptur mit scharfem Werkzeug entfernt. Im Bild kontrastieren die Leerstellen stark mit den Teilen, die durch die erhabenen, geschwärzten Flächen des Druckstocks entstanden sind. Im Auge des Betrachters fügen sich Schwarz und Weiß zu Licht und Schatten, werden Volumen und Gestalten sichtbar. Erst im scharfen Kontrast entstehen die Dinge, so dass schwarz und weiß einander hervorbringen, ja einander bedingen. Auch Muster werden so gebildet und verleihen einigen der Arbeiten ihren regelrecht musikalischen Rhythmus. In anderen Fällen wirken die Figuren wie Ornamente, zwischen Abstraktion und Figuration changierend. Die Blätter erzählen uns so mit kraftvollen Bildern von Stadt und Land, von Mensch und Natur, von Musik und Tanz. Mehr als einmal begegnet uns dabei die Figur des Vogels: mit geometrisch anmutenden, blockhaften Formen verleiht ihm El Loko das Gewicht, das das Motiv tatsächlich innerhalb seines Werkes einnimmt. Wir haben daher zunächst kaum das Gefühl, dass sich dieser Vogel in die Lüfte zu erheben vermag, eher scheint er so solide wie Architektur zu sein. Erst das sorgsam aufgefächerte Gefieder verleiht ihm eine Leichtigkeit, die ihm das Fliegen zu ermöglichen scheint. Dies ist es auch, was El Loko am Vogel so schätzt: er ist der Bote, der überall hinkommt, er hat den Überblick und bringt den Frieden. Wie ein Leitmotiv zieht sich die Figur des Vogels durch das gesamte Oeuvre El Lokos und steht damit gleichsam symptomatisch für den Künstler selbst: wie ein Vogel hat er an allen Sphären teil, er ist in Deutschland wie in Afrika verhaftet und bringt seine Arbeiten zu Ausstellungen an vielen Ecken und Enden dieser Welt.

Vom westlichen Betrachterstandpunkt her gesehen vermeinen wir in den Holz-schnitten eine Formensprache zu erkennen, die uns an die Holzschnitte aus dem frühen 20. Jahrhundert erinnert, an die der Brücke-Künstler etwa, oder an die maskenhaften Gestalten im Werk Picassos. Bekanntermaßen waren die Vertreter der klassischen Moderne von den ästhetischen Objekten aus Afrika und Ozea-nien inspiriert, die sie in den ethnographischen Museen, auf den Weltausstellun-gen oder auf Reisen in die entsprechenden Gegenden kennen lernten. Sie über-nahmen die kühnen Formen für sich, um die an ihr Ende gekommene akademi-sche Maltradition neu zu beleben und die Ausdruckskraft der Kunst zu steigern. El Loko kennt seine Formensprache dagegen aus erster Hand – als junger Mann hatte er in Togo zunächst eine Ausbildung als Textildesigner genossen. Dennoch hat El Loko schon in der Schule die Kunst Rembrandts oder auch Picassos, also die westliche Kunstgeschichte, kennen gelernt und dabei den Wunsch verspürt, selbst Maler zu werden. In Deutschland war er ein Pionier solcher afrikanischer Künstler, die für die Anerkennung ihrer Kunst gekämpft haben. Hier hatte er die Möglichkeit, seiner &Mac226;inneren Notwendigkeit’ zu folgen: nämlich aus sich heraus und völlig selbstbestimmt Bilder zu schaffen. Dabei ist der Künstler sich seit mehr als dreißig Jahren treu geblieben: stetig hat er den Weg seiner eigenen Moderne beschritten und seine afrikanischen Wurzeln nie geleugnet.

Im Austauschprojekt "Pedjakondi", an dem auch Peter Kowald beteiligt war, hat El Loko deutsche Künstler nicht nur in sein gleichnamiges Heimatdorf gebracht, um dort mit afrikanischen Künstlern zusammen arbeiten zu können, sondern es gab auch den Gegenbesuch: afrikanische Kollegen sind nach Deutschland gekommen, um zu erleben, dass das Künstlerdasein auch im Westen kein Zuckerschlecken ist. Anders als in den sonst üblichen Austauschprojekten ist hier der Lernprozess nicht eindimensional: es handelt sich nicht um eine bloße Aneignung des Anderen, wie dies bei den Künstlern der Moderne der Fall gewesen war. Vielmehr nutzt El Loko seine eigene Position zwischen den Kontinenten, um einen echten Dialog zu initiieren, in dem die Inspiration wechselseitig und untrennbar miteinander verwoben ist – ganz so, wie im Werk des Künstlers selbst.

So wird auch klar, dass die eurozentrische Perspektive nicht mehr allein maß-geblich sein kann beim Betrachten von Kunst. Ganz anders als noch in den 70er Jahren hat der globalisierte Kunstmarkt inzwischen dazu beigetragen, dass der Unterschied zwischen dem westlichen Zentrum der Kunst und der vermeintli-chen Peripherie in Afrika, Südamerika oder Asien längst in Auflösung begriffen ist. Biennalen gibt es mittlerweile an allen Enden der Welt, so dass auch El Loko in den letzten Jahren mehr und mehr die Möglichkeit hatte, sein Werk in Afrika auszustellen.

Die Stelen mit dem Titel "Kosmische Lettern" sind in den letzten Jahren ent-standen. Gleichermaßen Bilder wie Skulpturen, hat El Loko auch hier noch ein-mal ins Holz geschnitten. Ganz unmittelbar können wir die Stelen erleben, da sie wie wir aufrecht im Raum stehen und an menschliche Körper gemahnen. Sie besitzen damit eine Form, die prinzipiell allen Menschen gemeinsam ist und es uns ermöglicht, sie ganz direkt mit unserer eigenen Leiblichkeit in Verbindung zu bringen. Hier taucht auch wieder der Vogel auf, um uns seine allumfassende und verbindende Botschaft zu überbringen. Bemalt sind die Stelen nämlich mit skripturalen Formationen, die an Schriftzeichen wie auch an Gegenständliches erinnern. Mal vermag man Gesichter auszumachen, mal das Zeichen für die Signatur El Lokos, ein Baum oder ein Mensch mit ausgestreckten Armen. Diese Schrift ist nicht allein mit dem Kopf, mit unserem Wissen lesbar, wir müssen unser Gefühl oder auch unseren Bauch aktivieren, um den Zeichen Sinn zu ver-leihen. Jedem können die Skripturen anderes vermitteln, und doch beziehen sich die Assoziationen auf die ganz konkrete visuelle Gestalt, die allen sichtbar ist. Laut Derrida besitzt die Schrift allgemeinen Charakter und kommt noch vor der Sprache, die eine Praxis der Differenz ist und uns letztlich voneinander trennt. El Loko macht diese Tatsache mit seinen Stelen ganz eindringlich sichtbar.

Susanne Buckesfeld M.A.
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