Peter Kowald Gesellschaft/ort e.V.

ort_Luisenstraße 116_42103 Wuppertal



cd-präsentation °du es°; 2006 provinz verlag brixen (I).
-- das ding dichtung trifft auf das fass kontrabass --



aus booklet: g.p.(°1954,bressanone,italy): double bass;
works in projects combining music, dance, film, shaping new
contemporary forms of expression. bass-duets with peter kowald.
m.h.(°1964 wuppertal, germany): sound-poet. studied at poetry
school of vienna. performance-group skola, performances combiningliterature and music.

_CD-Besprechung
Die Zeit, würde ich sagen, ist ein wesentlicher Aspekt, mit dessen Hilfe eine Annäherung an die Musik von Mitch Heinrich und Günther Pitscheider möglich wird. Diese Aufnahme wirkt wie eine Zeitreise – zurück zu jenem Moment, in dem beide Musiker aufeinandertrafen und sich vornahmen, ihre Begegnung unmittelbar musikalisch auszudrücken. Die Zeit, die wir uns heute geben, um das Resultat dieser wundersam-wunderbaren Begegnung zu genießen, hat zu jener Zeit der Entstehung dieser Musik ein eigenartiges Verhältnis: wir hören von dem, was damals zwischen zwei Menschen passiert ist, allein im Modus der Dokumentation. Andererseits aber, beim Anhören gerade dieser Aufnahme, entsteht ein eigenartiges und geradezu befremdliches Gefühl: das, jenem besonderen Moment beizuwohnen, ja ihn mitzuerleben.

Im Gegensatz zu dieser Musik kommt es häufig vor – nicht selten auch bei improvisierter Musik, die gar nicht darauf aus ist, ein vorgefertigtes Werk zu interpretieren –, dass das Ergebnis einer Aufnahme steril wirkt. Thomas Bernhard hat in seinem Roman “Alte Meister” davon erzählt, dass Kunstwerke aus einem bestimmten Grunde die Aufmerksamkeit des Betrachters erregen: weil in ihnen Fehler enthalten seien. Erst ein unvollkommenes Kunstwerk motiviert den Betrachter zu verweilen und seine Aufmerksamkeit zu entwickeln. Das konventionelle und kommerzielle Interesse dagegen zielt auf Fehlerfreiheit und ruft so nicht selten Langeweile erst hervor. Umgekehrt soll hier nun nicht gesagt werden, dass die vorliegende Aufnahme mit Absicht unvollkommen sei und auf diese Weise interessant wirke. Vielmehr liegt deren Faszination für den Hörer wohl vor allem darin, beim Entstehensprozess zwar nicht unmittelbar dabei zu sein, aber doch ein Gefühl dafür zu erhalten, ihm auf die Spur zu kommen. In dieser Spur zeigt sich, dass Momente der musikalischen Begegnung, wie sie sich zwischen den beiden Musikern ereignen, niemals beanspruchen können vollkommen zu sein. Jedoch und geradezu im Gegenteil beziehen diese Momente ihre Einmaligkeit und Faszination aus dem, was sich dort hinsichtlich des Unkompletten, Fragmentarischen und Spontanen ereignet.

Der ästhetische Kern dieser Musik ist das Überraschende, das Plötzliche. Besonders durch die Stimme wird der Hörer ins Imaginäre hineingezogen, oft bevor sie ans Bedeutungshaltige, an die Semantik der Aussage heranreicht. Noch vor der Überführung des sprachlichen Gehalts in eine zu erwartende konkrete Aussage durchbricht Mitch Heinrich den sich abzeichnenden semantischen Horizont mit einer Haltung, doch etwas ganz Anderes sagen zu wollen, sei es im musikalischen oder auch sprachlichen Sinne. Dieses ganz Andere wird zur ungelösten Frage in einem Kontext, der häufig durch die spielerische Aktivität des Kontrabasses im Sinne der Bildung von verlässlichen Ebenen der Klangerzeugung gebildet wird – so beispielsweise durch Klangflächen und Geräuschkaskaden, die mitunter wie aufgewirbelte Wasseroberflächlichen wirken können. Kontext bedeutet also in diesem Falle, dass sich gleichsam eine Umwelt für die Aktionen der Stimme bildet, welche dann umso überraschender und verstörender wirken können.

Der Philosoph Wolfgang Welsch spricht in seinem Buch “Grenzgänge der Ästhetik”1 vom “Unerhörten” – einem Begriff, der die Musik von Mitch Heinrich und Günther Pitscheider in mehrerlei Hinsicht bestens beschreiben könnte: “Unerhörtes ist erstens solches, was noch nicht gehört worden ist, aber gehört werden sollte (Unerhörtes im Sinn von Ungehörtem); zweitens solches, was noch nicht erhört, was in seinem Anspruch – beinahe seinem Flehen – noch nicht vernommen wurde (Unerhörtes im Sinn von Unerlöstem); drittens solches, was das übliche Maß übersteigt und außerhalb der gewohnten Ordnung sich befindet (Unerhörtes im Sinn von Außerordentlichem).” Wie das gemeint ist, muss an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden. Denn die Musik erläutert diese Gedanken ganz aus eigener Kraft.
Christoph Irmer

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1 Welsch, Wolfgang: "Grenzgänge der Ästhetik", Stuttgart 1996, S. 132 ff.





_Günther Pitscheider_Kontrabass

Zusammenarbeit mit Menschen aus den verschiedenen Kunstrichtungen
Musik_Tanz_Theater,_Malerei

Filmmusik
- Gelatikiller von Kurt Lanthaler
- Aufschreibungen aus Trient von Karl Prossliner
- Dokumentation Südtirol. Nebeneinander statt Miteinander von Lorenz Gallmetzer
- Portrait Julia Bornefeld von Traudi Messini
- zwischen harmonie & dissonanz von Karl Prossliner

Projekt "Dorfrhythmen" im Rahmen des 2. Internationalen Kleinkunstfestivals Obervinschgau mit Stefan Nicolini, Bozen, Reinhard Schiel, München und der Accademia della Voce, Bologna.

Musik für Kontrabass und Tonband für die "Schlosstrilogie" von Erwin Lantschner, Bozen und Pier Andrea Cassati, Milano – ARTE REDENTA.

1993/94/95
Aufenthalt in Wuppertal und Mitarbeit an Peter Kowalds Projekt "365 Tage am ort"
1996
Projekt in Südtirol „Tanz und Musik auf der Straße“ mit Doris Plankl
1997
"Stellage" – Musik mit behinderten Menschen im Rahmen der Ausstellung "Stellage",
ein von der EU - ESF mitfinanzierten Projekts.
2000
Theatermusik für "Le Nom" von Jon Fosse im "Theatre Cartoucherie – La Tempete", Paris
2005
Musik für Kongress "Europäisierung als Säkularisierung – die Kunst zwischen Zivilisierung und Kulturkampf" - Goetheinstitut Zagreb
2006 Juni
Jazzfestival MOERS Juli: XONG mit Savina Yannatou
September 2006
Musik für Symposium Gerhard Kofler

Konzerttätigkeit mit verschiedenen multikulturell zusammengesetzten Jazz- und Improvisationsformationen:
- QUART – Z (Deutschland/Italien)
- AGORA (Deutschland/Italien/UDSSR)
- b.b.b./w. (Belgien/Deutschland/Italien/Spanien)
- INVESTIGATION ROUTINE (Deutschland/Italien)

_zu hören auf
"CUTS" – mit Peter Kowald ORT-ensemble Wuppertal, FMP 1988
"VERDADISSIMO" – bbb.w mit Manuela Bucher, viola; Christoph Irmer, Violine; Liba Villavecchia, reeds; Villavecchiarecords 2000
"JADAGIGLGOGLGONG – mit Menschen mit Behinderung aus der Werkstatt für Personen mit Behinderung, 39026 Prad; perpetuum mobile 2001
"OF MOUNTAINS AND VALLEYS"– mit Peter Kowald, Kontrabass; Newport Music 2000
"INVESTIGATION ROUTINE" – mit Christoph Irmer, violin; Peter Holtz, clarinet; Klaus Treuheit, piano/cembalo; KTMP 2004
"du es" – mit Mitch Heinrich, stimme. Provinzverlag 2006



_Mitch Heinrich_Stimme_Foto_Dennis Scharlau

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